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209 Schwimmbegeisterte halten Wind und Wellen stand

227 Schwimmer hatten gemeldet. 209 haben es bei der 19. Lindauer Seedurchquerung über die 2,3 Kilometer bis ins Ziel geschafft, trotz hohen und rauen Wellengangs. (FotoS: Christian Flemming)
227 Schwimmer hatten gemeldet. 209 haben es bei der 19. Lindauer Seedurchquerung über die 2,3 Kilometer bis ins Ziel geschafft, trotz hohen und rauen Wellengangs. (FotoS: Christian Flemming)

LZ - Christian Flemming

Bei der 19. Lindauer Seedurchquerung erschweren Wellen im Bodensee die Bedingungen für die 209 Finisher. Doch am Ende freuen sich alle, dass sie die 2,3 Kilometer geschafft haben. Bei den Männern gewinnt Vorjahressieger Ron Epple; bei den Frauen ist eine 14-Jährige die schnellste.


Der Bodensee ist voller Vorfreude auf die 227 gemeldeten Schwimmer, die vom Eichwaldbad ins Römerbad schwimmen wollen an diesem Sonntagmorgen. Dass er dabei nicht allen eine Freude bereitet, ist ihm offensichtlich nicht klar. Denn die fast überschäumende Begeisterung der Wellen, die da Richtung deutsches Ufer schwappen und ein kräftiger Wind aus Süden sind nicht gerade die Traumbedingungen, die sich die Schwimmer erhoffen, zumal ein Großteil gewohnt ist, in beruhigten Becken ihre Runden zu drehen.


Immerhin, exakt 213 Freunde der Bewegung im Wasser werfen sich schlussendlich in das 20 Grad warme Nass, das damit fast wärmer ist als die Luft über dem Wasser. Einige nehmen das Angebot dankend an, dass an diesem Tag mit Neoprenanzügen geschwommen werden darf. Auch der 23-jährige Ron Epple schlängelt sich in seinen Neopren. Der Lindenberger Sportwissenschaftsstudent hat bereits im vergangenen Jahr die 2,3 Kilometer als Schnellster durchquert. Der Triathlet, der vor hat, dies auch professionell zu praktizieren, kann Freiwasserschwimmen. Das beweist er auch dieses Mal bei der 19. Seedurchquerung. Trotz der weniger idealen äußeren Bedingungen, trotz dessen, dass er beim hohen Wellengang immer wieder die Orientierung verliert und fernab der Bojen krault und damit vermutlich mehr als drei Kilometer geschwommen ist, überquert er nach exakt 32 Minuten, 24 Sekunden die Gummimatte im Römerbad, die für die Zeitnahme und damit die Abmeldung seines Transponders zuständig ist.


Da sind noch gar nicht alle im Römerbad, die die Ankommenden mit Beifall und Anfeuerungsrufen begrüßen wollen, aber er hat jedenfalls die Dusche ganz alleine für sich und darf als erstes den Blumenkranz um den Hals tragen. Und er hat reichlich Zeit, darüber nachzudenken, dass seine Zeit unwesentlich langsamer war als im Vorjahr, als er die Seedurchquerung schon einmal gewonnen hatte. Da waren die Bedingungen andere, es war wärmer, Neopren aufgrund des warmen Wassers zum Schutz der Schwimmer verboten, aber vor allem war das Wechselbad der Wellen und Gefühle auf den letzten Metern entlang der Mole des Seglerclubs ganz anders. Die Wellen schlagen von allen Seiten auf die Schwimmer ein, „man fühlt sich wie in einer Waschmaschine“, so formuliert es Thomas Röhl später, nachdem er innerhalb von 40 Minuten und 41 Sekunden die Strecke absolviert hatte als lockeres Aufwärmtraining für die Masters in Japan kommende Woche.


Manche schlucken hier kaum Wasser, andere sprechen von gefühlt acht Litern, wohl abhängig von der Freiwassererfahrung. Alfred Seeger beispielsweise, der gar nicht so auf sein fortgeschrittenes Alter angesprochen werden möchte, aber als Vertreter des Jahrgangs 1940 der älteste Teilnehmer im Feld ist und ebenfalls wie Thomas Röhl hier ein leichtes Training absolviert hat vor dem langen Flug nach Japan, kam nach eigenen Angaben mit weitgehend trockenem Mund durch. Mit einer Stunde und anderthalb Minuten gehörte er aber längst nicht zu denen, die sich die meiste Zeit nahmen, das Wellenbad der Gefühle zu durchqueren. Die Stimmung im Römerbad und später auf der Römerschanze, wo die Siegerehrung stattfinden wird, ist eine gelöste. Trotz der Anstrengung, so gut wie alle Teilnehmer schwärmen von der Lindauer Seedurchquerung, von der tollen Atmosphäre und davon, wie hervorragend das ganze Event von den Schwimmern des TSV Lindau organisiert sei.

 

Dieser gute Ruf scheint sich weit herumgesprochen zu haben, denn da kraulen nicht nur Schwimmerinnen und Schwimmer aus der Umgebung des Bodensees, da kommen auch ganze Schwimmabteilungen aus anderen Teilen Deutschlands, wie aus Erfurt.

Auch Lale Präger kommt aus Erfurt. Die Vereinsschwimmerin hat mit ihren gerade mal 14 Jahren bei den Frauen abgeräumt. Genau 39 Minuten standen bei ihr auf der Anzeige, okay, genaugenommen gehören noch zwei Hundertstel dazu. Die Sportgymnasiastin verbringt mit der Familie gerade hier ihren Urlaub, da drängte sich die Gelegenheit geradezu auf, mal eben kurz vom Eichwaldbad ins Römerbad zu schwimmen.


Wie beim Marathon zählt auch bei der Seedurchquerung: Jeder, der hier durchkommt, ist eine Gewinnerin, ist ein Gewinner. Lediglich vier mussten vorzeitig den See verlassen wegen drohender Unterkühlung, 209 schafften es durch die Wellen und die Waschmaschine ins Ziel.


So auch die beiden Schwestern Linda und Lena Blechschmidt. Die beiden Erzgebirglerinnen überqueren gemeinsam die Zielmatte und haben das Feld der Schwimmerinnen und Schwimmer nach hinten abgerundet. Glücklich die eine, zumindest zunächst völlig bedient die andere. Aber wer weiß, vielleicht lässt sie sich nächstes Jahr zur 20. Seedurchquerung wieder überreden.


Auch bei den beiden Schwestern herrscht die Begeisterung des Sees noch an, die Wellen schlagen mit voller Wucht an die Kaimauer - und wieder zurück. Erst als sich eine lange Schlange vor dem Würstlestand gebildet hat, verschwinden auch die Wellen, nun scheint sogar für längere Zeit die Sonne. „Jetzt sollte man schwimmen“, meint da einer der Wartenden und gibt sich gleich die richtige Antwort: „Aber einfach kann jeder.“