So feiert der TSV seinen Geburtstag: Vier neue Ehrenmitglieder

LZ - Yvonne Roither 

Eigentlich wird in der Jahnturnhalle fleißig trainiert und geschwitzt. Am Freitag wurde vor allem eins: sehr viel geredet. Und das eine oder andere Tränchen verdrückt. 

Bierbänke, ein Sprungkasten, der zum Rednerpult umfunktioniert wurde, und gut gelaunte Besucher - mehr braucht es für den TSV Lindau nicht, um diesen großen Tag zu feiern: den 175. Geburtstag des Vereins.

Die Turnschuhe von Dominik Moll zeigen, wofür der Präsident brennt: „dein Sport“ und „Team TSV“ steht in grüner Schrift auf den blütenweißen Schuhen. Hinter ihm und seinem Team liegt viel Arbeit. Doch jetzt ist er „tiefenentspannt“, wie er sagt. Er schüttelt unentwegt Hände, begrüßt Innenminister Joachim Herrmann, Landrat Elmar Stegmann und Oberbürgermeisterin Claudia Alfons ebenso wie die Bundestagsabgeordnete Mechthilde Wittmann, Vertreter der Landesverbände und Freunde aus dem Verein.

Durch das Programm führte Thomas Röhl, der in den Pausen Geld hervorzauberte, Knoten springen und Schnäpse verschwinden ließ. Das Bläserquartett der Lindauer Musikschule sorgte für frischen Wind beim Festmarathon.

Der TSV Lindau gehört zu den ältesten Sportvereinen in Bayern. Innenminister Joachim Herrmann, der auch für die Bereiche Sport und Integration zuständig ist, erinnerte an die bürgerliche Bewegung, die solche Vereine hervorbrachte. „Auf diese Tradition könnt Ihr stolz sein“, sagte er.

Vereine lebten vom ehrenamtlichen Engagement, von Menschen, die „bereit sind, anzupacken“. Herrmann dankte allen im TSV Lindau für ihr „großartiges Engagement“. Vereine leisteten einen großen Dienst für die Gesellschaft. Sie sorgten für Zusammenhalt und Integration. Hier lerne man Teamgeist, Toleranz, Fairness und Durchhaltevermögen. In Zeiten, in denen radikale Kräfte zunähmen, sei eine „starke aktive Gemeinschaft“ wichtig.

Jörg Ammon, Präsident des Bayerischen Landessportverbandes (BLSV), betonte, wie wichtig Sport, Bewegung und gesunde Ernährung sind. Traurig sei jedoch: „Wir haben die fittesten Senioren und die unfittesten Junioren.“

Wenn sogar Anwärter für Polizei, Feuerwehr und Bundeswehr „körperliche Defizite“ haben, müsse man etwas ändern. Um die Sportbegeisterung in die Gesellschaft zu tragen, setze er auf Olympische Spiele in München.

Sein persönlicher Dank galt Dominik Moll, auch für seinen Einsatz im BLSV. Er habe die Digitalisierung „massiv unterstützt“.

Sport sei nicht nur Bewegung, sondern auch „Herzschlag und Rückgrat einer Gesellschaft“, sagte Landrat Elmar Stegmann. Wer 175 Jahre bestehe, der sei einen Marathon gelaufen, habe Hürden übersprungen, Staffelstäbe übergeben und das Ehrenabzeichen gemacht.

Wir haben die fittesten Senioren und die unfittesten Junioren

Der TSV Lindau sei ein „Verein mit Zukunft“. Er sorge dafür, dass der Landkreis „lebendig, gesund und sozial“ bleibe. Stegmann dankte allen, „die diesen Verein zu dem gemacht haben, was er ist“: ein Ort, an dem es Muskelkater, Begegnung und Gemeinschaft gebe. Obwohl der Landkreis in „gesegneter Armut“ lebe, überreichte er Dominik Moll einen Scheck für die Jugendarbeit.

Jeder zehnte Lindauer ist Mitglied im TSV Lindau, sagte Alfons. Das jüngste potenzielle Vereinsmitglied hatte sie selbst dabei. Ihr kleiner Sohn schlummerte im Tragetuch, während sie den TSV lobte. Der Verein leiste einen „unverzichtbaren Beitrag zur Stadtgesellschaft“ und stärke das „Wir-Gefühl in Lindau“, so Alfons. Junge Menschen könnten sich auspowern, lernten aber auch Disziplin und Werte wie Fairness.

Der Verein habe sich stets weiterentwickelt, sagte sie und erinnerte an die erste digitale Mitgliederversammlung zu Coronazeiten. Claudia Alfons bedankte sich bei allen, die zur Stärkung des Vereins beigetragen haben. Das Geburtstagsgeschenk der Stadt steckt schon in der Erde vor der Halle: ein Ahornbäumchen.

„Wir wachsen stärker als die Stadt“, freut sich Dominik Moll über den großen Zulauf. Sein Appell an den Landrat: „Wir können nie genug Hallen haben.“ Selbst wenn die neue Turnhalle am Berufsschulzentrum irgendwann stehe: „Unsere Bitten werden nicht aufhören.“

Moll will seinen TSV modern aufstellen. Ziel sei ein „agiler Verein“, der sich in kleinen Schritten entwickelt. Trainer und Übungsleiter seien bereits bestens ausgebildet, betonte er.

„Ehrenamt darf Spaß machen“, lautete die Devise im Verein. „Wir machen da schon einen guten Job“, sagte er selbstbewusst und lobte die gute Zusammenarbeit mit der Stadt. Noch sitzen sie auf den Bierbänken und haben keine Ahnung. Zeit für die „geheime Kommandosache“, wie Röhl sagte: Vier Männer und Frauen werden zu Ehrenmitgliedern ernannt, allesamt Menschen, die seit dem letzten Jubiläum durchgehend in ihren Ehrenämtern aktiv waren. Zeit, Tempos und Handys zu zücken.

Das Herz von Margit Moll schlägt nicht nur für Faustball, sie unterstützt den TSV Lindau seit Jahren als Finanzchefin und Leiterin der Geschäftsstelle. Außerdem ist sie für den „TSV-Kurier“ verantwortlich. Sie übernehme im „Maschinenraum eines großen Sportvereins viele Aufgaben, die kaum Ruhm bringen“, weiß BLSV-Chef Ammon. Auch wenn die Mutter von Dominik Moll nicht gern im Mittelpunkt steht: Sie sei „eines der entscheidenden Rädchen im Getriebe des TSV Lindau“. Dafür gibt es eine Urkunde, aber auch eine innige Umarmung von ihrem Sohn.

Seit 34 Jahren ist Wilfried Fuchs der „Oberschwimmer“ im TSV Lindau. Er sei der„ Leitwolf der Lindauer Delegation“, sagte Helmut Schindler, Ex-Präsident des bayerischen Schwimmverbands. Fuchs organisiere Trainingseinheiten, kümmere sich um Förderungen, sei als Kampfrichterobmann im „Kader deutscher Spitzenschiedsrichter“ und habe schon viele sportliche Talente hervorgebracht. Und ganz nebenbei sei er auch noch ein Freund, mit dem er gern zusammengearbeitet habe, sagte Schindler sichtlich gerührt.

Dass Manfried Steiert zum Judo kam, ist dem Verhandlungsgeschick von Karl-Heinz Pätz zu verdanken. Der damalige Judotrainer handelte mit dessen Vater einen Deal aus: Pätz beliefert ihn mit Holz für seine Obstkisten, dafür darf der Zwölfjährige ins Training. Das hat sich für den TSV Lindau ausgezahlt. Manni Steiert war als Kind und Jugendlicher nicht nur ein erfolgreicher Kämpfer mit gefürchteter Würgetechnik, sondern wird später Trainer und führt die Abteilung und den Bezirk als Vorsitzender. „Für sein Judo kennt er keine Kilometer“, sagt Pätz, der auch das Erfolgsrezept seines ehemaligen Schützlings kennt: „Er hört nicht nur hin, sondern zu.“

Toni Ziegler war eigentlich Ringer. Später übernahm er die Versehrtengruppe und baute sie zur Reha-Sportgruppe um. Nun ging es nicht mehr um Kriegsversehrte, sondern um gesundheitsorientierten Reha-Sport. Das kommt an: Hier fühlen sich alle wohl, die den aktiven Wettkampf hinter sich haben. „Der große Zuspruch ist das Ergebnis seiner Arbeit“, sagte Moll. „Ohne Toni wäre Lindau kränker“. Als langjähriger Behindertenbeauftragter sei er ein streitbarer Geist gewesen, für den Verein ist er laut Moll vor allem eins: ein „wertvoller Mensch“.